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Bauen mit Bambus
Diplom-Ingenieur Christoph Tönges
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properties

Wir wissen von Massivholz, dass seine mechanischen Eigenschaften durch Klima- und Bodenverhältnisse, Standort, Alter, Schlagzeit, Feuchtigkeitsgrad etc. beeinflusst werden. Ferner treten größere Unterschiede über die Stammlänge oder den Querschnitt verteilt auf, und außerdem, ob die Kräfte parallel oder senkrecht zur Faser gerichtet sind.
Fast noch größer ist die Streuung der Festigkeitswerte bei Bambus als Hohlzylinder mit sehr unterschiedlicher Materialdichte innerhalb der Rohrwand und den senkrecht dazu stehenden Knotenscheiben.

Guaduastapel
 (15) Guaduastapel in Pereira, A
 
Guaduastapel

Da jeder Bambusstab unterschiedlich ist und sich kaum wie ein Holzbauelement zuschneiden lässt, lässt er sich nicht standardisieren. Da die mechanischen Eigenschaften von Bambus von der botanischen Spezies, seinem Standort, dem Alter des Stabes bei der Ernte, dem Feuchtigkeitsgehalt und natürlich von Durchmesser und Wandstärke abhängen, empfiehlt es sich, dementsprechend auch eine Sortierung vorzunehmen.
Auch Baunormen für Bambus fehlen bislang noch, was die Verwendung in Ländern mit strengen Bauvorschriften erschwert. Jedoch gibt es eine ISO-Norm zum Testen von Bambus: Bamboo structures Engineered bamboo products Test methods for determination of physical and mechanical properties

 (16) Guaduastapel in Pereira, B
 
Festigkeitseigenschaften

Im Querschnitt eines Bambusrohr unterscheidet man eine dunkle äußere Zone mit dichtgedrängten Fasern von etwa 30% und eine weiße, innere, porige Zone von 70%. Mit zunehmender Höhe über Grund ist der Flächenmäßige Anteil der dichten Außenhautfasern am Gesamtquerschnitt höher und schlanke Rohre sind deshalb dickeren Rohren in Relation zur Querschnittsfläche überlegen.
Die Häufung der hochfesten Faserstränge in der Wandaußenzone wirken bei der Elastizität ebenso festigend wie bei Zug-, Scher- und Biegebeanspruchungen. Wie bei Massivholz reduziert sich auch der Elastizitätsmodul von Bambus mit wachsender Beanspruchung (5-10%). Für Berechnungen von Konstruktionen kann ein E-Modul von 2.000 kN/cm² eingesetzt werden.

Teilschnitt
 (17) Teilschnitt
 
Zugtest

Die Nodien steifen das Bambusrohr aus - sie vermindern die Ausbeulung des Materials dadurch, dass sich die Fasern, ähnlich einer mehrfachgekrümmten Fläche, zur Halmmitte hin biegen, und somit dem System Stabilität verleihen. Ihr E-Modul ist 40% geringer als das der Internodien.

Die äußere Zone besitzt eine zwei bis drei mal so hohe Zugfestigkeit wie die innere. Die Zugfestigkeit im Knotenbereich ist nur mittelmäßig, da sich die Fasern in alle Richtungen durchkreuzen. Nodienstellen wirken sich bei Zugbeanspruchung festigkeitsmindernd aus. Bei 5-6 Jährigen nimmt die Zugfestigkeit deutlich ab.

 (18) Zugtest
 

Die Druckfestigkeit hingegen nimmt mit dem Alter zu. Im Test waren 6-jährige durchschnittlich 2,5 mal so Druckfest wie Einjährige. Rohrabschnitte mit Nodien haben gegenüber Abschnitten ohne Nodien ca. 8% höhere Festigkeitswerte bei Druck parallel zur Faser. Bei Druck senkrecht zur Faser bringen Nodien eine Festigkeitssteigerung bis zu 45% gegenüber nodienlosen Rohrabschnitten. Außer der Meereshöhe hat das Alter der Stangen einen großen Einfluss auf die Verkieselung der Gefäße und führt zu erheblicher Zunahme der Druckfestigkeit.

Bruchtest
 (19) Bruchtest
 
Schubbeanspruchung

Die Scherfestigkeit ist bei schlanken Bambusrohren höher als bei dicken Rohren, bedingt durch die Verteilung der hochfesten Faseranteile pro Querschnittsfläche. Nodienmaterial besitzt eine um ca. 50% höhere Scherfestigkeit als Internodienmaterial.

 (21) Scherbeanspruchung
 

'Atrops' untersuchte für Baustoffe übliche Bambusmaterialien: Rohrdurchmesser 70-100 mm, Wanddicken 6-12 mm bei Stützweiten von 3,60 m. Die elastischen Durchbiegungen waren min=1/25,9; max=1/16,1; Mittel 1:20,1 der Stützweite.
Dort, wo in der Konstruktion eine Durchbiegung unvermeidbar und störend ist, könnten die frisch geschlagenen Bambusrohre erst einer Vorbiegung (Überhöhung) unterzogen werden, die sich später unter der Nutzlast wieder ausgleicht.

Durchbiegungstest
 (20) Durchbiegungstest
 
Materialkennwerte in kN/cm2 Guadua Vollholz Nadelholz
S10 (DIN 4074 T 1)
E-Modul 2.000 1.000
Zug || Faser 15,0 0,7
Druck || Faser Knicklänge = 3,22 m
2,09 m
0,37 m
2,7
3,9
5,6
0,85
Biegung
(bei fehlenden Schwindrissen)
10,0 1,0
Schub 0,9 0,09
d = 12 cm ; d i = 9 cm
A = 50 cm2
W = 100 cm3
I = 700 cm4
Materialkennwerte

Die in der nebenstehenden Tabelle aufgelisteten Werte sind durchschnittliche Materialkennwerte von Bambus 'guadua angustifolia'.
Aus Sicherheitsgründen sollte man annehmen, dass die zulässigen Grenzspannungen zur statischen Berechnung von Tragwerken erheblich unter den Materialkennwerte liegen!
Zum indirekten Vergleich sind die Rechenwerte zur Bemessung von Bauholz angegeben.

 (25) Materialkennwerte mit indirektem Vergleich !
 
Bruchverhalten

Die Bambusrohre zeigen bei Druckbeanspruchung ein gutmütiges Tragverhalten. Es erfolgt kein schlagartiges Ausknicken oder Ausbeulen der Wandung. Bei Biegeprüfungen sind Schubbrüche die häufigste Versagensart. Diese werden durch extreme Trocknungsrisse parallel zur Stabachse begünstigt. Im Bereich hoher Schubbeanspruchung sollen deshalb die Internodien der Bambusstäbe mit Beton ausgegossen werden. Im Falle eines Schubversagens verbleibt im ungünstigsten Fall immer eine Resttragfähigkeit von zwei Querschnittshälften.

Schubbruch
 (23) Schubbruch
 
Bruch

Das Bruchverhalten des herkömmlichen Bauholzes unterscheidet sich vom Bruchverhalten des Bambus. Hier erfolgt beim Reißen einzelner Fasern kein spontaner Bruch durch das ganze Material (Rohr). Die auftretenden Risse werden sofort in Faserrichtung abgelenkt und beeinträchtigen damit weniger die Festigkeitsgefährdete Stelle. Der Energiezufluss ist durch Zerstreuung verzögert. Die entstehenden Längsrisse werden an ihrer Ausbreitung über die gesamte Rohrlänge durch die Verstärkungsknoten (Nodien, Diaphragmen) gehindert.
Besonders die Druck-, Scher- und Spaltfestigkeit wird durch das Knotenmaterial erhöht. Derartige Symptome werden als Steigerungsfaktoren der Bruchzähigkeit bezeichnet. In der Forschung bei modernen Verbundwerkstoffen versucht man auch weniger die Rissbildung zu unterbinden, als vielmehr einer Rissausbreitung durch geeigneten Materialaufbau entgegenzuwirken.

 (24) Bruch
 
Verhalten bei Erdbeben oder Orkanen

Jules Janssen stellt in seiner Doktorarbeit fest, dass im Falle einer dynamischen Überlastung, wie sie bei Erdbeben und Orkanen vorkommt, folgende Reaktionen festzustellen sind: Statistisch gesehen versagt Stahl vor Beton und wenn Stahl längst versagt hat und 80% des Betons, so haben nur 10% von Bambus und Holz versagt (siehe Diagramm links)!
Ein weiterer Vorteil von Bambus, welcher bei der statistischen Betrachtung zuvor nicht berücksichtigt wird, ist die Absorbierung der Energie in den Verbindungen. Bei übermäßiger Belastung übernehmen sie 85% der Deformierung und nur 15% die Elastizität des Materials.
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Nach dem Erdbeben leistet Guadua auch wichtige Hilfe!

Gauss-Kurven
 (22) Gauß-Kurven
 
Brennverhalten Brennverhalten

Aufgrund des hohen Kieselsäuregehalts der "Rinde" und der größeren Dichte wird Bambus nach der DIN 4102 (Brennverhalten von Baustoffen) als brennbar aber schwer entflammbar eingestuft. Die Feueranfälligkeit richtet sich besonders nach der Lage des Bauteils, so sind horizontale Bauteile weniger anfällig als schräge oder vertikale Bauteile. Bei einem horizontal liegendem Bambusstab breitet sich die Flamme ringförmig zum nächsten Knotenpunkt (Nodium) aus. Dort erlischt das Feuer da die Flamme nur schlecht über den schwer entflammbaren Knotenpunkt und die Trennwand (Diaphragma) zum nächsten Segment (Internodium) übergreifen kann.
Platzt das Internodium in Quer- und Längsrissen bei der Verkohlung auf, so kann der eintretende Sauerstoff das Verbrennen des Querschnitts begünstigen. Bei Querrissen verringert sich zudem die Tragfähigkeit erheblich (Kerbspannung).
Füllt man ein Bambusrohr mit Wasser und erhitzt es, so lässt sich das Wasser zum Kochen bringen während die Rohrunterseite Temperaturen von 400 C aushalten kann!

 (26) Brennverhalten
 
Effizienz

In seiner Doktorarbeit beschreibt Jules Janssen die enorme Effizienz des Materials Bambus. Aufschluss über die Nachhaltigkeit von Bambus gibt ein Vergleich der Energiebilanzen verschiedener Baustoffe (also die Energie, die benötigt wird, um eine Einheit eines Baustoffs einer bestimmten Belastbarkeit zu produzieren):

Baustoff Energie zur Produktion
MJ/kg
Dichte
kg/m3
Energie zur Produktion
MJ/m3
Span-
nung
kN/cm2
Verhältnis Energie
pro Einheit Spannung
(1) (2) (3) (4) (5) (4)/(5)
Stahl 30,0 7800 234.000 1,600 150.000
Beton 0,8 2400 1920 0,080 24.000
Holz 1,0 600 600 0,075 8.000
Bambus 0,5 600 300 0,100 3.000
 (27) Energieaufwand und Leistungsfähigkeit im Vergleich
 
52m Brücke in Pereira Fazit

Bambusmaterial ist mit seinen mechanisch-technischen Eigenschaften unserem Bauholz weit Überlegen; aber nur eine sachgerechte, handwerklich saubere Bearbeitung und Anwendung lässt diese Vorteile zur Wirkung kommen.
Noch in den achtziger Jahren verglich der Niederländer Jules Janssen den Erkenntnisstand über die mechanischen und technischen Eigenschaften von Bambus mit der Situation des Holzbaus vor ca. 100 Jahren, als eine handwerkliche, auf Tradierung basierende Verwendung von Holz zu stabilen, jedoch oft überkomplizierten und verschwenderischen Bauten führte.
Der Schritt von einem Low-Tech-Material zu einem innovationsträchtigen Baustoff, den Holz bereits vollzogen hat, steht Bambus noch bevor. Eine Vertiefung der Forschung führt dazu, den Materialbedarf zu senken und gleichzeitig Standards für eine sinnvolle Verwendung dieses neuen Materials zu entwickeln.

 (28) 52 m Brücke in Pereira, J.Stamm
 

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Bambus Guadua angustifolia
 (212) Bambus Guadua angustifolia
 
Quellenverzeichnis
Links

Ein japanisches Sprichwort sagt,
dass man im Leben flexibel wie ein Bambus sein muss,
denn wird er vom Wind hinuntergedrückt,
so steht er immer wieder auf!

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Autor und Copyright:  CONBAM
erstellt: 2002 & zuletzt geändert: 2023